Carbon-Orthesen von Ortema, vom gebrochenen Handgelenk zurück zum Rennsport

von 13 Okt 2020Erfahrungen, Sponsoren

Vorgeschichte – Verletzung Ende April

Das sieht irgendwie krumm aus. Verdammt. Das sieht wirklich nicht ganz aus. Da hinter dem Handgelenk hat mein Unterarm irgendwie einen Knick. Ich hebe den Arm nach oben und strecke ihn meinem Kumpel entgegen, mit dem ich eigentlich gerade die erste Endurotour seit dem Lockdown drehe. Er stimmt mir zu, ganz gerade sieht das Handgelenk tatsächlich nicht aus. Ich versuche ob ich alles bewegen kann. Schmerzen sind zwar da, aber bewegen kann ich eigentlich auch alles. Nach dem Reinigen einer Schnittwunde an der Unterseite des Gelenks kommt mir das Gelenk gar nicht mehr so abgeknickt vor. Wahrscheinlich nur Schock. Sollte ja auch nur eine lockere Runde werden, jetzt wo die Fallzahlen wieder runtergegangen sind und ich mir, falls die Rennsaison noch stattfindet, nicht leisten kann, am ersten Rennen auf dem Rad zu sitzen wie der letzte Mensch. Krankenhaus will mit Corona ja auch niemand. Von überall schallt es: Ja kein Risiko, ja nicht das Gesundheitssystem überlasten. Und das hatte ich (bis heute) auch richtig ernst genommen. Wieder zuhause entscheide ich mich, aus gleichem Grund, nicht zum Arzt zu gehen. Wird nur geprellt sein, morgen sieht das ganze bestimmt schon wieder viel besser aus.
Doch am nächsten Tag ist die Lage nicht besser. Schmerzen und eine immernoch sehr starke Schwellung begrüßen mich.
Zwei Tage später finde ich mich im Röntgenraum eines Unfallarztes wieder. Diagnose: Distale Radiusfraktur (die Speiche ist unter Beteiligung des Handgelenks am unteren Ende des Knochens gebrochen) mit Dorsaler Abkippung. OP inklusive.
Durch Empfehlungen bekomme ich einen Vorstellungstermin in der Handchirurgie des Klinikums Mittelbaden in Bühl. Aufgrund der Schnittwunde am Unterarm, die genau in dem Bereich liegt, in dem der Schnitt gesetzt werden würde um die Platte einzusetzen, wird die Operation erst ein paar Tage später angesetzt. Bis dahin bleibt das Handgelenk weiterhin geschient.
Meine erste OP ist natürlich auch mental nicht ganz einfach. Man weiß nicht was einen erwartet und vor allem nicht, wie es danach weitergeht. Verletzungen gehören zu diesem Sport dazu, jetzt wo ich selbst zum ersten Mal “richtig” verletzt bin merke ich aber erst wie das mental fordert. Soviel zur Vorgeschichte.

Der Weg zurück – Die erste Orthese

Zeitsprung. Es ist Ende Juni. Nach einigen Wochen ohne großartige sportliche Betätigung (jedenfalls nicht mit dem rechten Arm, Rolle fahren und begrenztes Krafttraining waren natürlich nicht absetzbar) und Physiotherapie habe ich einen Termin bei Ortema in Markgröningen. Neben Sportprotection werden hier beispielsweise K-Com Knieorthesen oder andere orthopädische Hilfsmittel in Handarbeit hergestellt und angepasst.
Der Plan ist nun nach einiger Heilungszeit für den betroffenen Knochen vorerst eine “steife” Orthese aus Carbon herzustellen, die mein Handgelenk in einer festen Position hält um auch bei Stürzen ein verdrehen oder stauchen im Bereich der Platte zu vermeiden.
Um eine optimale Anpassung und Ausrichtung der Orthese zu gewährleisten habe ich mein Pivot Phoenix Downhillbike mit dabei. Der Gipsabdruck wird also in meiner tatsächlichen Fahrposition angefertigt. Im ersten Schritt werden markante Stellen an meinem Arm (z.B. Eckpunkte der Knochen an meinem Handgelenk) mit einem Stift gekennzeichnet. Während ich auf meinem Fahrrad stehe und in Fahrposition mein Handgelenk entsprechend angewinkelt habe, wird im zweiten Schritt über einen “Netzstrumpf” Gips aufgetragen, auf den durch die Farbe auf meiner Haut die markierten Stellen auf den Abdruck übertragen werden. Die entstandene Gipsform (negativ) dient dann als Form für einen positiven Abdruck meines Unterarmes, an dem die Carbonorthese modelliert werden kann. Wenige Tage später ist die Orthese fertig. Zum Anziehen der Orthese wird sie seitlich “aufgebogen” und man schiebt das Handgelenk entlang der Öffnung bis nach vorne durch die Orthese. In Position gehalten wird die Schiene durch mehrere Klettverschlüsse und wird unter der Protektorenjacke getragen (das Anziehen erfordert etwas Üben, ist aber dann unproblematisch). Die Kontaktfläche zwischen Carbon und Lenker ist entsprechend der Handhaltung beim Gipsabdruck an den Radius des Griffs angepasst und ist mit Griptape versehen.
Bei der Abholung ist mein erster Eindruck, dass die Orthese mich beim Fahren wohl recht stark einschränken wird. Gerade scrubben oder wegdrücken, bei dem die Handgelenke quasi den “letzten Impuls” geben, sowie Pedallieren im Stehen (das Gelenk kann sich ja auch nicht nach links und rechts bewegen) stelle ich mir vorerst schwer vor, bin aber froh dass ich überhaupt so schnell wieder Rad fahren kann.

Die erste Orthese: Eine komplett steife Carbon-Schiene, angepasst auf meine Fahrposition und die Griffhaltung am Lenker.

Direkt am gleichen Tag noch schnappe ich mir mein Rad und will eine Probefahrt auf meinen Hometrails einlegen. Und…ich bin überrascht darüber, wie gut es funktioniert. Scrubben macht tatsächlich (noch) Schwierigkeiten und Pedallieren. Bei letzterem ist es etwas gewöhnungsbedürftig, dass die Hand durch die Versteifung quasi über den Griff “abrollt” und nicht dauerhaft in der mehr oder weniger gleichen Position den Griff umschließt.

 

Jedoch: Schon nach wenigen weiteren Tagen habe ich mich an die Orthese gewöhnt. Am Dirtpark kann ich sogar whippen. Auch das wegdrücken und scrubben “lerne” ich wieder, sodass ich bis Ende September nahezu uneingeschränkt fahren kann und sogar auf den Downhillstrecken in Willingen, Brandnertal, mehrere Male in Beerfelden und Steinach (kurz vor der Deutschen Meisterschaft) mehrere Tage ernsthaft trainieren konnte und wieder zu meinem Speed zurückfinden konnte beziehungsweise sogar mehr davon aufbauen. 
In Willingen musste ich mich was die Umfänge angeht noch zügeln, da mir die Hand nach einem Bikeparktag (aufgrund der Verletzung an sich und der fehlenden Muskulatur) noch Schmerzen bereitete, in Brandnertal hatte ich aber schon zwei Tage wieder Vollgas geben können und war immer weniger eingeschränkt.

Mehr Bewegung für die Deutsche Meisterschaft

In der Woche vor Steinach entschied ich mich in Absprache mit Ortema dazu, dass die Heilung soweit vorangeschritten sein sollte, dass ich beim Radfahren mehr Bewegung auf das Handgelenk geben kann. Der nächste Schritt ist eine Orthese mit mehreren Gelenken, die das Handgelenk auf der Oberseite mit einem Kunststoffkeil und auf der Unterseite mit einem gepolsterten Gurt in der Bewegung begrenzt. In der Seitwärtsbewegung lässt sich an mit Hilfe einer Unterlegscheibe ein Gelenk “aktivieren”, bis heute habe ich aber vorerst diese Option weggelassen. Diese Orthese wird auch an meinem positiven Gipsabdruck angefertigt, der bereits für die erste Schiene angefertigt worden war.

Orthese V2: Gelenke sorgen für mehr Bewegungsfreiheit


Rechtzeitig für die DM ist das neue Hilfsmittel fertig und nach einer Anprobe bin ich überzeugt, dass ich damit direkt das Rennwochenende fahren werde. Im ersten Training bestätigt sich der Eindruck. Die neue Orthese gibt mir (wie erwartet) nochmal mehr Bewegungsfreiheit, sodass ich mich in keiner Situation mehr in irgendeiner Weise eingeschränkt fühle.

Scrubben bis die Hose spannt, Vollgas durch Wurzelfelder, Vollsprint aus dem Starthaus. Auch das Handgelenk an sich ist mittlerweile wieder soweit reaktiviert, dass ich keine Schmerzen mehr nach dem Fahren habe. Nach dem DM-Wochenende verwende ich die Schiene auch einige Zeit am heimischen Dirtpark-Bietigheim und einen Tag im Bikepark Beerfelden und ich fühle mich wieder zu 100% fit auf dem Rad.
Da die Rennsaison nun leider schon wieder vorbei ist, beginnt schon bald die Vorbereitung für die Saison 2021, die hoffentlich etwas normaler (und umfänglicher) abläuft wie diese. Ein großes Dankeschön geht an Ortema und Niko, die mich durch meine Verletzungszeit begleitet haben und mich so schnell wieder zurück aufs Rad gebracht haben.

Eine Abfahrt im Bikepark Beerfelden.