Deutsche Meisterschaft Steinach 2020

von 29 Sep 2020Rennberichte

Ein komisches Gefühl. Gerade sitze ich vor meinem Laptop und schreibe einen Rennbericht.
Meinen Ersten und gleichzeitig meinen Letzten für diese Saison. Hungrig auf mehr und doch ist eigentlich schon wieder alles vorbei.
Aber von vorn. In diesem Jahr war die Saison für mich zwischenzeitlich schon einmal komplett abgesagt. Kein einziges Rennen welches ich für meine Saison eingeplant hatte war noch übrig, alle aufgrund der Corona Pandemie abgesagt. Es gab in diesem Zeitraum zwar theoretisch Rennen, die stattgefunden hätten (zum Beispiel French Cup oder Czech DH Cup), aufgrund meiner Verletzung am Handgelenk Ende April konnte ich meinem verletzten Arm hier noch keine 4 Minuten Vollgas-Downhill zutrauen.
Vor wenigen Wochen dann aber ein Lichtblick: Sowohl der Crankworx Innsbruck sollten stattfinden, wie auch die Deutsche Meisterschaft in Steinach. Steinach liegt im Thüringer Wald und war bereits Gastgeber des einizigen deutschen Downhillrennens dieses Jahr, denn der Rookies-Cup gastierte hier zu seinem einzigen Lauf. Racement (iXS Downhill Cup), der BDR und viele regional ansäßige Vereine wie der ILRC aus Ilmenau schafften es dann tatsächlich, auch die Vergabe der deutschen Meistertitel im Downhill nicht zu unterbrechen.
Wenigstens zwei Rennen fanden zu diesem Zeitpunkt also für mich fest (Während des Rennwochenendes in Steinach wurde Tirol (also auch Innsbruck) als Risikogebiet eingestuft, durch Quarantäneregeln und Co. fällt der Crankworx Innsbruck Downhill damit für mich auch flach).

Am Freitag Abend sind wir in Steinach angekommen. Die ganze Fahrt dorthin kein Tropfen auf den Scheiben, kaum ins Steinachtal eingebogen, tat sich der Himmel dann aber doch so langsam auf. Regen. Kälte. Wirklich weit über die 10 Grad sind wir das ganze Wochenende nicht gekommen. Und der Regen sollte ab Freitag Abend bis Sonntag Morgen auch nicht mehr aufhören.
Um 18:00 dann noch Trackwalk. Zusammen mit Leon, Anastasia, Anouk, Antonia, Lisa, und Sarah nahmen wir die Strecke unter die Lupe. Einige Linien, die wir uns (Leon, Nico Lamm und ich) am Wochenende vor der DM bereits angeschaut hatten, da wir ein Trainingswochenende in Steinach eingelegt hatten, mussten aufgrund der Nässe vorerst etwas justiert werden. Nach dem Trackwalk (teilweise im Flutlicht, das hatte ich auch noch nie….) noch schnell die Startnummer abgeholt (29) und dann zurück zum Stellplatz und in Lars‘ Wohnwagen lecker zu Abend gegessen.

[Bild von Tim Pfeiffer]

Streckenbeschreibung Deutsche Meisterschaft Steinach

Auf der 1750m langen Strecke in Steinach wurden bereits mehrere Läufe des iXS German Downhill Cups und des Rookies Cups ausgetragen. Die Strecke verläuft zu Beginn recht flach unter dem Sessellift und wartet nach einem kurzen Startsprint mit einigen Wurzelpassagen und kleineren Sprüngen auf. Danach kommt man nach der ersten Wegüberquerung in eine sehr schnelle, technische Wurzelpassage mit mehreren Linien, bevor man den ersten Skihang mit flachen, offenen Wiesenkurven überquert. Weiter geht es durch ein Feld aus freigeschlagenen Waldüberresten über teilweise recht losen Waldboden und sehr tiefe, ausgefahrene Löcher mit mehrern Kompressionen wieder in den Wald auf das wohl schnellste Stück der Strecke mit mehrern gebauten Stufen. Nach einer engen Linkskurve spuckt einen die Strecke wieder quer auf die Skipiste aus. Hier geht es auch leicht bergauf, im Rennlauf Vollsprint. Ein paar aus Schieferplatten (die gibt es in Steinach viel) gebaute Anlieger, die auf Renntempo gar nicht so einfach sind, da 1. die erste Kurve voll mit Löchern ist und 2. man sehr schnell den Grip über- oder auch unterschätzt oder 3. man sich dermaßen verbremst, dass die nächsten Anlieger etwas zäh werden. Nach der letzen Schieferkurve geht es über einen kleinen Holzdrop mit Vollgas auf einen aufgeschütteten Rechtsanlieger zu, der doch ein bisschen Überwindung erfordert, um ihn am Limit rumzureißen. Nach zwei weiteren flachen (sehr!) rutschigen Wiesenkurven (hier hatte man Samstags im Seedingrun als Zuschauer im Regen so richtig Spaß) geht es wieder in den Wald. Ein flaches Wurzelfeld ist hier eine weitere Schlüsselstelle, da es hier sehr wichtig ist Geschwindigkeit mitzunehmen. Im Wald folgen noch ein paar enge Kurven, ein geraderes, etwas steileres stück mit vielen Stufen, zwei S-Kurven, die es sauber zu erwischen gilt, bevor man sich über den Zielsprung schießt und hofft, dass das Vorderrad bei der Landung nicht vollends in der weichen Landung mit ihren gefühlt halb-meter tiefen Spurrillen stecken bleibt und man in Rodeomanier gen Zielbogen katapultiert wird (glücklicherweise am Wochenende keine schlimmeren Verletzungen).

[Bild von Tim Pfeiffer] Die schnelle Sektion kurz bevor man den Wald auf die Skipiste vor der Mittelstation verlässt. Die Nässe ist ersichtlich.

Das Rennwochenende

Der nächste Morgen. Samstag. Es regnet, gefühlte 3 Grad (in Realität aber auch nicht viel wärmer). Zusammen mit unserem Teammechaniker Niklas Aufbau des BSS Devo Team Pits. Einen der Pavillons schließen wir rundum mit Zeltwänden ab und heizen ihn zeitweise als Aufenthaltsbereich mit einem Petroliumofen, was ein zentraler Bestandteil für das ganze Wochenende wurde.
Das Training ging für die Junioren und Damen im Team schon um 9:00 los. Ich war erst um 11:30 dran, da ich dieses Jahr in der Elite Klasse an den Start gehe. Der erste Eindruck der Strecke: Es ist tatsächlich nur nass. Nicht schlammig. und auch erstaunlich griffig. Ein paar tückische, glatte Wurzeln schimmern an einigen Stellen durch den dunklen, nassen Boden, aber insgesamt lässt sich alles eigentlich ziemlich gut fahren. Meine zweite Erkenntnis: Die neue Orthese, die ich von Ortema kurz vor der DM bekommen habe, funktioniert super! Nach 3 Läufen (den ersten Lauf habe ich erstmal nochmal zum „Schauen“ genutzt) rolle ich zum Pit und mache eine kurze Pause. Tatsächlich habe ich noch mehr als eine ganze Stunde Training übrig, da die Trainingsgruppen durch die Trennung der Klassen so „klein“ sind, dass sich alles sehr gut verteilt. Kein Stau an den Liften, kein Stau am Start, kein Stau an der Strecke. Richtig gutes und effektives Training, ohne dauernd irgendwo warten zu müssen. Ich fahre noch zweimal mit dem Lift nach oben und mache zwei weitere Trainingsabfahrten, bin bereit für den Seedingrun.
Nach der Pause zwischen Training und Seedingrun, die aufgrund der geringen Starterzahl (nur 150 Starter, da nur Fahrer mit deutscher Lizenz startberechtigt sind) ungewohnt kurz ausfällt, wärme ich mich zusammen mit meiner Trainerin am Start auf. Mein Seedingrun verläuft nicht gut. Die Strecke ist dank des anhaltenden Regens sehr nass und es steht Wasser auf der Strecke. Die Sicht ist dank des hochspritzenden Drecks schlecht, da sich die Brille mit Dreck zusetzt, mein Roll-Off System hat sich dann auch noch verklemmt, sodass ich meine Brille auch nicht freimachen konnte. Das hat mich etwas aus dem Konzept gebracht und habe den Lauf so gut es ging sicher nach unten gebracht, mehrere kleine Fahrfehler gemacht, einmal halb gestanden. Am Ende Platz 52. von 58. Wow.
Aber ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen, der Lauf war schließlich weit weg von Race-Pace. Motiviert und mit einem guten Gefühl esse ich zu Abend und gehe früh ins Bett.

[Bild von Christin Schlufter] Rennlauf: Der Anlieger an der Mittelstation vor den rutschigen Wiesenkurven.

Sonntag. Race-Day. Während dem Training der ersten Trainingsgruppe hat es tatsächlich aufgehört zu regnen. Und etwas (nur etwas!) „wärmer“ ist es auch. Das Training gestaltet sich etwas schwierig, denn durch die abnehmende Feuchtigkeit wird der Boden sehr klebrig, es wird schwer einzuschätztn ob man eine Sektion nun schnell getroffen hat oder nicht. Außerdem nimmt der Grip deutlich zu. Nach 4 Abfahrten fühle ich mich bereit für den Rennlauf.
13:30. Die Mittagspause ist vorbei, die Energiespeicher nach dem Mittagessen sind wieder aufgefüllt und ich habe alles für den Rennlauf vorbereitet. Dicke Handschuhe angezogen und eine Regenjacke übergeworfen, Hauptsache warm oben ankommen.
Lisa macht wieder das Warm-Up mit mir. Ich kann mich gut konzentrieren und werde nicht zu nervös. Meinen Kopf habe ich viel besser im Griff als die letzten Jahre vor dem Start. Konzentriert schiebe ich mein Rad an den Start und ziehe meine Regenjacke aus. Die Uhr zählt runter. 10. Ich fühe mich bereit. Die letzten 5 grünen Dioden der Startuhr leuchten. 4. Ich nehme mein Becken nach hinten und spanne meinen Körper vor. 3. Start. Ich werfe meinen Körper nach vorne und sprinte die ersten flachen Meter Richtung Wald. Der Lauf ist insgesamt brauchbar. Nicht perfekt, zwei kleinere Fahrfehler und einmal kurz ausgeklickt, aber insgesamt recht solide. Ich komme im Ziel an, der Sprecher ruft eine Zeit von 2:35:369 aus. Damit bin ich zufrieden. 10 Sekunden besser als am Vortag, meine Zeit ist die aktuell drittschnellste. Einige Fahrer nach mir können sich nicht vor meine Zeit setzen und ich verbleibe lange in den aktuellen Top 5. Ich versuche mizuzählen, hoffe am Ende auf eine Top 25. Leider hat es nicht ganz gereicht und ich reihe mich auf Rang 27 ein, nur etwas mehr als 5 Sekunden Rückstand auf die Top 10 (2:26:420).
Eins muss ich hier aber noch erwähnen. Denn Nico Lamm, mit dem ich ja das Wochenende vor der DM noch in Steinach trainieren war, ist bei der deutschen Meisterschaft nach Max Hartenstern und Hannes Lehmann 3. geworden. in 2 Wochen geht es für ihn jetzt, nach Last-Minute Nominierung durch den BDR, zur Weltmeisterschaft nach Leogang.

Leider ist die Saison damit schon wieder vorbei. Ein einziges Rennen. Ich hätte jetzt Lust auf mehr. Ich weiß dass ich den Speed habe, dass all das Training mich auf einen sehr guten Stand gebracht habe und dass ich auf Material unterwegs bin, dass schnell genug ist um nach vorne zu fahren. Crankworx fällt für mich ja wie vorhergehend erwähnt wohl aus.
Danke an alle, die dieses Wochenende möglich gemacht haben. An all die Organisatoren, alle, die uns im Team unterstützt haben und die mir auf meinem Weg zur Seite stehen. See you soon.
Oliver

Titelbild: Tim Pfeiffer